Aufregungen gibt es heutzutage über fast alles, worüber man sich zu einer Äußerung oder – Gott bewahre – einer eigenen Meinung hinreißen lässt.
Hat man eine eigene Meinung, die nicht dem Mainstream entspricht, ist man intolerant, frauenfeindlich, Russlandfreund, Antisemit, Rechtsradikaler, Klima(katastrophen)leugner, homophob und vieles andere mehr. Gegenseitiger Respekt in der Auseinandersetzung und die Kunst der Diskussion, allenfalls zur Findung eines Kompromisses, sind wohl verloren gegangen. Ich verstehe Toleranz so, dass auch ich Anspruch auf eine eigene Meinung habe, ohne diskriminiert zu werden. Jüngste völkerkundliche Forschungen haben zum Beispiel ergeben, dass bei den Irokesen in Nordamerika (First Nation, „I-Wort“ wie „N-Wort“ von der Sprachpolizei verboten) nichts von oben herab bestimmt wurde, auch nicht die Mehrheit über die Minderheit entschieden hat, sondern ein Problem so lange diskutiert wurde, bis eine für alle tragbare Lösung gefunden wurde. Das sollte uns zum Nachdenken anregen.
Man ist also frauenfeindlich, wenn man z. B. nicht „gendern“ (schon eine seltsame Wortschöpfung, die eigentlich weh tut – ungarisch vielleicht czänderän) möchte. Ja, ich gebe es zu: Ich habe ein Problem damit, weil es unheimlich anstrengend ist. Es ist auch auffällig, dass es hauptsächlich ein Problem des deutschsprachigen Raums ist; in anderen Ländern ist es meist schon sprachlich unproblematisch. Ich gebe auch zu, dass ich, wenn eine Herrentoilette maßlos überfüllt war, eine freie Damentoilette benutzt habe. Also muss mein Name unbedingt an die (in Deutschland vorhandene!) Meldestelle für Frauenfeinde weitergeleitet werden. Auf dieser Liste befindet sich auch schon Frau Alice Schwarzer.
Ich habe auch schon zumindest einmal eine freie Behindertentoilette benutzt, bin also auch behindertenfeindlich und gegen Inklusion. Im Ausland, insbesondere in meinem derzeitigem Lieblingsland Italien, ist das ebenfalls einfacher, da es in vielen Lokalen aus Platzgründen einfach nur eine Toilette zur Benutzung jedweden Geschlechts gibt.
Auch mit Handlungen oder Bemerkungen zum Krieg Russlands gegen die Ukraine ist äußerste Vorsicht geboten. Ich bin hier sowieso schon genetisch verdächtig, da meine Großmutter väterlicherseits aus Russland, genauer aus der äußeren Mongolei, stammte. Ich bekenne auch, dass ich in den letzten 10 Jahren ca. 2 Flaschen russischen Wodka getrunken habe, mich aber gleich zu Beginn des Krieges mit 6 Flaschen echtem russischen Wodka eingedeckt habe, um meinen Bedarf für meine Restlebenszeit und für meine Erben zu decken (eigentlich nicht viel, da ich eher Whiskey, und da nur den schottischen, bevorzuge). Mit Ausbruch des Krieges wurde russischer Wodka ja zur Mangelware.
Sollte man Anzeichen von Mitleid für die Opfer einer jüngsten Naturkatastrophe in Russland zeigen, ist man schnell als Putin-Freund und Ukraine-Gegner entlarvt. Hinsichtlich der Konflikte im Sudan, in Niger, im Kongo und bei weiteren Bürgerkriegen, die nicht unbedingt in Europa stattfinden, hat uns der Mainstream noch nicht erklärt, wer gut oder böse ist; man daher im Bekenntnis zu einer Seite dort noch indifferent sein.
Einfacher ist es schon im Krieg Israels als Vergeltungsschlag gegen den Terrorangriff der Hamas. Hier befindet man sich mit dem ersten Anzeichen einer Israel-kritischen Meinung schon im Minenfeld des Antisemitismus.
Das Völkerecht, das Kriegsrecht und UN-Resolutionen sowie das Menschenrecht, die sind sowieso außer Kraft gesetzt. Man bombardiert, misshandelt, foltert, tötet und lässt Zivilisten verhungern, zerstört zivile Infrastruktur und ruiniert Existenzen ohne wirkliche Konsequenzen. Die stets gepriesenen wirtschaftlichen Sanktionen treffen zusätzlich oft mehr die Sanktionierer als jene, die unter die Sanktionen fallen sollten. Gewinner allseits: die Rüstungsindustrie und korrupte Systeme. Ich erlaube mir, hier auch anzumerken, dass nicht die gesamte Ukraine aus Engeln besteht und nicht ganz Russland von Satanisten bewohnt wird. Letztere befinden sich ja nach Ansicht der „Reichsbürger“ und QAnon-Anhänger überwiegend in den USA und verarbeiten dort Kinder zu Burgern und verjüngenden Essenzen. Durch Covid-Impfung gechipt und somit fernsteuerbar ist ohnehin (nach deren Meinung) ein großer Teil der Weltbevölkerung, die somit das zu tun hat, was die „Eliten“ ausmauscheln.
Eindeutige Bekenntnisse im Sinne von Schwarz oder Weiß sind heute unbedingt notwendig, jawohl: Dazu sind entsprechende Zeichen zu setzen, damit nach außen hin das persönliche Bekenntnis auch eindeutig erkennbar ist. Musikalisches, etwa allgemein Landeshymnen, wäre da durchaus geeignet. Ich bin dafür, dass wir in Österreich vor dem Verzehr eines Wiener Schnitzels die Bundeshymne (Achtung: Genderproblem) absingen, Tiroler Knödel als Vorspiel mit der Tiroler Landeshymne („Zu Mantua in Banden der/die treue Andreas/Andrea Hofer war…“) einleiten. Weiteren Beispielen sind keine Grenzen zu setzen, also Kaiserhymne/Kaisersemmel, Rainer-Marsch/Salzburger Nockerl, etwas Religiöses zum Cappuccino, etc. – Schwierig wird es mit Kebab oder im indischen Restaurant, um hier nicht weitere Angriffspunkte zu setzen. Es ist daher sehr begrüßenswert und dient der Verhinderung weiterer Konflikte hinsichtlich „politischer Korrektheit“ (selbst ein tragischer Begriff: Wann ist und war Politik korrekt?), dass diverse Gerichte bereits von der Speisekarte verschwunden sind, etwa Mohr im Hemd, Zigeunerschnitzel und -spieß, Mohrenkopf, Indianerkrapfen etc; fraglich sind noch Türkensterz, Mongolentopf, Matrosenfleisch und Konsorten.
Ein Problem in ergibt sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Begriff der „kulturellen Aneignung“. Hier bin ich für absolut strikte Anwendung. Nur noch „echte Wiener“ zu den Sängerknaben, nur Österreicher dürfen Schubert spielen und hören, der Verzehr von Mozartkugeln ist Ausländern strikt zu untersagen, Zutritt zu chinesischen Lokalen ist nur noch Chinesen zu gestatten (Taiwanesen fraglich), Jazz nur noch für farbige Konsumenten und Produzenten, kurze Lederhosen nur noch für autochthone Bewohner des Alpenraums (amtlicher Nachweis erforderlich, Sondergenehmigung für Schützenkompanien und Musikkapellen), Kopftücher nur noch für Anhängerinnen des Islams und Bäuerinnen, Tattoos nur noch für Südostasiaten (angeblicher Ursprungsort; Ausnahmen für Seefahrer und Sträflinge möglich), Münchner Weißwurst nur für Münchner (wie auch der Zutritt zum Oktoberfest), Frankfurter den Frankfurtern, Südtirol den Südtirolern, etc. Aufgearbeitet sollten in diesem Zusammenhang auch noch allfällige historische Unstimmigkeiten, z. B.: War Beethoven Österreicher oder Deutscher und Hitler Deutscher oder Österreicher (was gerne noch immer verwechselt wird)?
Das Essverhalten ist ein ebenso gefährliches Terrain. Tiere zu essen (außer frittierte Heuschrecken zum Filmabend) oder sie ihrer Vorräte (Honig) und Nachkommen (Eier) zu berauben, gilt schon fast als obszön. Mir fällt hier mein Bekenntnis nicht schwer: Ich liebe Vegetarier und habe schon viele davon verzehrt, nach bestem Wissen und Gewissen nur nicht-humanoide. Es ist ja wesentlich nachhaltiger, sich einen Brei aus chilenischen Avocados mit chinesischen Gojibeeren, türkischem Safran und indischer Kurkuma zu bereiten, als eine heimische Bratwurst mit Sauerkraut zu essen.
Übrigens könnte eine zu große Vorliebe für Sauerkraut wieder zu einem Bekenntnisproblem führen. Von den amerikanischen Truppen im Zweiten Weltkrieg wurden die deutschen Soldaten (auch die Freiwilligen aus der Ukraine und anderen sogenannten „Beutestaaten; so feine Unterschiede machte man damals nicht) als „Krauts“ bezeichnet, somit könnte der bekennende Krautverzehrer leicht in den Verdacht der nationalsozialistischen Wiederbetätigung kommen. Aus meiner Sicht haben die damaligen Alliierten ein Tierrechtsproblem bisher mangelhaft aufgearbeitet, da die Engländer die Franzosen nach wie vor noch gerne als „Frosch(schenkel)fresser“ bezeichnen – eine Sache, die mit den Tierrechtlern abzuklären wäre. Einen früher in Österreich bekannten Unterhaltungs-„Künstler“ hat die Bezeichnung „Spaghettifresser“ für Italiener zumindest seinen Job gekostet.
Man ist also heute permanent in einer Krise oder von mehreren Krisen gefangen: Ohne Zweifel ist erkennbar und wissenschaftlich belegt, dass sich unser Klima und unsere Umwelt verändern, und das mit zunehmender Geschwindigkeit. Ich frage mich allerdings auch, ob mein persönlicher Fleischverzicht, die E-Mobilität oder -Immobilität, das Abstellen meiner Ölheizung, der Verzicht aufs Reisen die Erde noch retten werden, obwohl wir doch sogar über eine PV-Anlage verfügen.
Kehren wir noch einmal zum Kriegshandwerk zurück. Nach meiner Information findet dieser derzeit nicht CO2-neutral statt. Russland hat zwar zu Beginn die Panzer mittels Bahn an die Front verlegt, was lobenswert erscheint. Den CO2-Ausstoß von Granaten und sonstiger Munition kenne ich nicht. Beispielsweise verbrauchen neueste Panzer (Leopard 2 – deutsche Wertarbeit) in zwei Gefechtstagen 1.160 Liter Diesel (entspricht meinem Jahres-Heizölverbrauch für ein Reihenhaus), und ein Eurofighter verraucht pro Stunde 9.600 Liter Kerosin. CO2-Gesamtbilanz: mir unbekannt. Sollte man da nicht entsprechende Energie aufbringen, in Verhandlungen zu treten, um dem Wahnsinn ein Ende zu machen? Herrscht hier nicht vorsätzliche Zerstörung von Natur und Umwelt vor?
Die einseitige und auf die nordwestliche Halbkugel zentrierte Politik sollte endlich einmal den Blickwinkel über den Tellerrand erheben. Schon lange wird der sogenannte zivilisierte, demokratische Westen von den BRICS-Staaten und der südlichen Halbkugel belächelt, wirtschaftlich ins Abseits gestellt und nicht mehr ernst genommen, trotz immer wieder aufkommender neokolonialistischer Bestrebungen. Lustig fand ich das angedeutete Geschenk an Deutschland seitens Botswanas im Umfang von 20.000 Elefanten, die dort eine Überpopulation darstellen, wodurch die lokale Bevölkerung unter massiven Schäden und Todesopfern zu leiden hat. Durch meine vielen Reisen nach Afrika und Asien sowie durch meine Funktion als diplomatischer Vertreter eines afrikanischen Landes kann ich es mehr als gut verstehen, dass sich die Länder des globalen Südens jegliche Einmischung und Bevormundung hinsichtlich interner Angelegenheiten und der Nutzung von natürlichen Ressourcen verbitten. Ich erinnere nochmals an die zweifelhaften Bemühungen des Nord/Westens hinsichtlich Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Schutz des Eigentums etc. Blickt man einmal von einem Standpunkt außerhalb unserer Region auf diese Werte, fällt es schwer, diese umgesetzt zu sehen.
Nun – was kann man machen?
Ich wünsche mir:
- mehr politische Aufrichtigkeit und Problemlösung statt parteipolitischem Hick-Hack (patria);
- mehr Mitgefühl, mehr Bescheidenheit und Christlichkeit statt Egoismus und Wertefreiheit (religio);
- mehr echte Toleranz, Vertrauen und Respekt gegenüber dem Andersdenkenden statt Stigmatisierung und Bevormundung (amicitia);
- mehr IQ statt KI, mehr persönliche Bildung und Hausverstand (scientia).
Die Prinzipien einer katholischen Corporation wären hier also sicher denkbare Leitplanken.
Bbr. Dr. iur. Franz J. Fiedler ist Honorarkonsul der Republik Namibia.