Lieber Alois,

bei mir ist es ja schon so, dass ich, wenn ich die beiden Wörter „Tirol“ und „Literatur“ nebeneinander stehen sehe, reflexartig an einen Widerspruch an sich denke. Das ist natürlich ein großer Blödsinn, wie auch dein Essay ganz klar zum Ausdruck bringt. Wenn man in Tirol an Literatur denkt, dann kommt natürlich unweigerlich „Provinz“ heraus, aber das gilt natürlich für alle Landstriche.

Im Grunde bin ich überzeugt, dass es in Tirol eine sehr lebendige Literaturszene gibt, wenngleich diese im Land selber nicht wahrgenommen wird, wobei ich dazu sagen muss, dass mich das immer weniger stört, eigentlich gar nicht mehr.

In ganz jungen Jahren hatte ich die Vorstellung, dass aus mir ein Berufsschriftsteller werden könnte. Diese Idee habe ich mir, nachdem ich drei Jahre in Wien gelebt habe – in den fernen Siebzigern – aber schnell abgeschminkt. Bin glücklicherweise in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, wo aber der Realitätssinn nicht unbedingt dazu angetan ist, sich irgendwelchen Flausen hinzugeben. Es ging darum, Geld aufzustellen, weil da die Frauen kamen und dann auch noch Kinder und wir alle hatten Hunger und brauchten ein Dach über dem Kopf. Zu allem Überdruss war ich in der glücklichen Lage überhaupt keine Ausbildung zu haben, aber der damalige Arbeitsmarkt bot auch solchen Rohrkrepierern wie ich einer war noch Möglichkeiten sein Auskommen zu verdienen (wenn ich heute nur an meine Kinder denke, was die an Zeugnissen und über Ausbildungen verfügen und wie schwer sie es haben, Arbeit zu finden …).

Wie auch immer hatte ich dann auch noch das große „Glück“, dass sich nach zehn Jahren auch meine Familie von mir trennte (zu Deutsch: ich wurde hinausgeschmissen, durfte natürlich brav weiterzahlen) und da kam dann wieder vermehrt die Literatur ins Spiel und die hat mir damals (neben Armagnac und Zipfer Märzen) geholfen, über die Runden zu kommen (neben einigen Freunden, die mir immer unter die Arme griffen, wenn ich ganz am Boden lag – ja, das gibts und das ist wunderbar!).

Warum ich so weit ausgeholt habe, lieber Alois, dann deswegen, weil dadurch auch mein Zugang zur Literaturszene und zum Literaturmarkt erklärt ist. Aufgrund obiger Tatsachen und auch fehlendem literarischen Talent, gepaart mit der Unkenntnis der Mechanismen des Marktes war für mich die Schriftstellerei als Beruf stets unerreichbar.

Darum habe ich mir halt einen Platz etwas abseits geschaffen: mein Faible für amerikanische Beatliteratur hat mich mein Leben lang begleitet und das Festival „sprachsalz“ hat mir ermöglicht, mit einigen alten Haudegen und -innen dieser Szene persönlich in Berührung zu kommen (kleines Beispiel: mit Lawrence Ferlinghette zusammen zu sitzen und sich gegenseitig Gedichte am North Beach vorzulesen bei Kaffee und gutem Essen und dann auch noch in seiner legendären Buchhandlung „city lights“ in San Francisco vor zahlreichem Publikum lesen zu dürfen, dafür verzichte ich auf viel Geld und Anerkennung).

Dazu kommt noch das Kuriosum, von Zirl aus einen Miniverlag mit amerikanischer Beatliteratur zu machen und dann auch die eigene Produktion von Texten und teilweise Veröffentlichung in kleinen Magazinen und Kleinverlagen und das alles genügt mir inzwischen vollauf. Hoffentlich kann ich noch lang auf dieser Spur bleiben.

Pardon, dass ich so ausführlich werde, aber dein Essay hat mich darauf gebracht und auch noch auf etwas anderes: Deine Idee, jedes publizierte Buch zum Anlass zu nehmen, Freunde zum Essen, Trinken und Diskutieren einzuladen, wird hinkünftig von mir auch aufgenommen.

Auch glaube ich, dass man sich als Literat nicht erwarten kann, „für seine Arbeit ausreichend geliebt zu werden“. Außerdem erscheint mir der Gedanke, wie z.B. bei Felix [Mitterer, Anm.], ein „everybody's darling“ zu sein, nicht besonders erstrebenswert. Darauf kann ich gerne verzichten.

Was die Vorlässe betrifft: Für solche Undinge dürften keine öffentlichen Gelder verwendet werden. Aber ich will nicht schon wieder nach einem neuen Gesetz rufen. Das sollte der Anstand gebieten und vor allem die Vernunft.

Jedenfalls sehe ich für mich überhaupt keinen Grund zur Resignation. Im Gegenteil, ich genieße jeden Tag (wahrscheinlich darf man das als ernstzunehmender Dichter nicht), wenn ich ein wenig weiterbringe,
oder wieder an einem beat-buch arbeite oder für sprachsalz was unternehme. Das bereitet mir viel Freude.

Und noch was zum Schluss und ohne Freunderl-Schleimerei: Du kannst doch wirklich auf ein erfolgreiches Leben als Schriftsteller zurückblicken, viele deiner Bücher sind im Umlauf und sie werden auch gelesen und diskutiert und du hast wichtige Bücher geschrieben und was will man viel mehr und außerdem: wir alle hängen nicht am Hungertuch und wir leben in einem schönen Land, wo die Leute (noch) nicht so verkommen sind, dass sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen und wir können unsere verrückten Ideen ausleben etc … hugh … sorry!

Jedenfalls, lieber Alois, alles Gute – bis zum nächsten Buch und bis zur nächsten Feier. – Elias

Elias Schneitter ist Schriftsteller, Verleger und Mitveranstalter des Literaturfestivals Sprachsalz.