Als größter Akademikerverband Österreichs haben wir seit unserer Gründungszeit eine Verantwortung. Wir haben den Anspruch an uns selbst, so steht es in der zweiten Strophe der ÖCV-Hymne, unserem Volk stets voran zu gehen. Das bedeutet, dass wir uns als Mitglieder nicht nur der eigenen Scientia verschrieben haben, sondern auch geloben, uns einzubringen. Die Wissenschaft ist unser meist ureigenes Thema. Für uns als ÖCV stellt die Universität unseren Ursprung sowie das Zentrum unseres Wirkens dar. Sie ist jener Ort, an dem wir uns Fachwissen, Kompetenz und geistiges Rüstzeug für unsere zukünftigen Tätigkeiten in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aneignen.
In einer Zeit, die sich immer schneller zu drehen beginnt, ist unsere Welt, wie wir sie heute kennen, im Umbruch. Das lebenslange Lernen und vor allem das „Lernen lernen“ wird unersetzlich sein. Mit unseren Werten haben wir eine Verantwortung, hier Stellung zu beziehen und bei der Positionierung der „Hochschule der Zukunft“ Farbe zu bekennen. Wir dürfen als großer Stakeholder nicht Zuschauer bleiben, sondern müssen Akteur auf der hochschulpolitischen Bühne sein und mitgestalten.
Hierzu haben wir die Publikation „Hochschule der Zukunft“ (zum Download als E-Book: http://vorort.bajuvaria.at/pub...) herausgegeben, die zehn sehr gehaltvolle Beiträge enthält.
Meine persönliche Meinung zum Thema „Hochschule der Zukunft“: Digitalisierung hier, Digitalisierung dort. Man kann es schon nicht mehr hören. Die Geschichte wiederholt sich. Wie bisher vor jeder größeren Revolution, die am Arbeitsmarkt einen entschiedenen Umschwung gebracht hat, herrschen Ängste. Die Existenzangst vor dem Logarithmus, der den eigenen Arbeitsplatz in Zukunft ersetzen soll, beherrscht die Arbeitswelt. Dabei gibt es zahlreiche Studien, die besagen, dass wir 50% aller Berufsbilder, die es in 30 Jahren geben soll, zum heutigen Zeitpunkt nicht einmal kennen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das lebenslange Lernen immer wichtiger wird. Die Zeiten, in denen man zu Beginn des Lebens einen Beruf erlernt hat und bis zur Pension in derselben Branche tätig war, sind vorbei. Wir werden lernen müssen, schnell neue Wege zu beschreiten, Nischen zu nützen und nicht nur auf ein Pferd zu setzen. Umso wichtiger wird die Entfaltung der eigenen Talente.
Ich hatte ein spannendes Gespräch mit Finanzminister a.D. Dr. Schelling, in dem er eindrücklich darstellte, dass die Sozialdemokratie unser Bildungssystem sukzessive herunternivelliert hat. Heutzutage ist für die Ausübung von Berufen, die noch in den 70er Jahren von HAS-Absolventen ausgeübt wurden, ein Studienabschluss notwendig. Das Absurde daran ist, dass das Fehlen jedweden Zugangsmanagements schon beginnend in der Schule zum Niveauverlust geführt hat. Mit der Killerphrase „gleiche Bildung für alle“ ist eigentlich die Nivellierung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gemeint und nicht die Förderung von Stärken. Keiner würde in Wien freiwillig sein Kind an eine NMS schicken. Das heißt nicht, dass die Geldbörse der Eltern ausschlaggebend für eine gute Ausbildung sein soll, nein, es bedeutet viel mehr, den Druck von den Kindern zu nehmen, die Träume der Eltern zu verwirklichen. Diktionen wie jene von AMS-Chef Kopf – es sei besser, selbst das falsche Studium zu wählen als keines (http://www.zeit.de/2018/06/ams...) – implizieren nur, dass eine Lehre schlecht sei. Aber was machen wir mit einem Land voller Akademiker, die nur studieren, um zu studieren; die einen Abschluss in Theaterwissenschaft machen, um einen Titel zu haben? Anstatt sich ernsthafte Gedanken über die Zukunft zu machen und darüber, welche Talente der Einzelne hat, steuern wir auf spanische Verhältnisse zu – hohe Akademikerquote, hohe Akademikerarbeitslosigkeit. Von 2015 auf 2016 ist diese übrigens unter Bachelorstudenten im Mittel, über alle Studienrichtungen hinweg, um knapp 46 % gestiegen. Ein Novum in der Geschichte. Die Garantie, mit einem Studium nahezu nie arbeitslos zu sein, ist erloschen.
Die fehlenden Studienbeschränkungen und die vollkommen unbeschränkte Öffnung führen in vielen Studien zu einer Selektion nach der Aufnahme, sprich zu einem gezielten „Hinausprüfen“ von Studenten, um die Kapazitäten nicht überzubelasten. Dieser Modus ist am ungerechtesten und am wenigsten geeignet, faire Studienbedingungen und zeitgleich beste Qualität in der Lehre zu gewährleisten.
Als katholische Couleurstudenten bekennen wir uns zu den Werten Leistung und Eigenverantwortung, auch und vor allem im Bereich der Hochschule. Wir Studenten wollen eine Ausbildung in bester Qualität genießen und sind bereit, dazu unseren Beitrag zu leisten. Deswegen halten wir die Einführung von zweckgebundenen Studiengebühren in moderater Höhe mit zeitgleichem Ausbau des Stipendiensystems für eine erforderliche Maßnahme. Es geht dabei nicht um den Gedanken „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Es geht darum, dass man sich grundsätzlich Gedanken dazu macht: Was will ich? Was interessiert mich? Was würde mir Freude bereiten? Es geht hingegen nicht darum, was man studieren könnte, um einen akademischen Titel zu bekommen, ohne ein weiterführendes Ziel dahinter zu verfolgen.
Im ÖCV leben wir eine Generationengerechtigkeit, die für viele außerhalb unserer Verbindungen wohl so nicht verständlich ist. Es kümmern sich nicht die jungen Aktiven um die alten Herren. Nein, alte Herren ermöglichen durch ihren Beitrag, dass auch wir unsere Erfahrungen machen dürfen, in einem geschützten Rahmen Verantwortung übernehmen können. Die moderaten Studiengebühren, ähnlich hoch wie bei den FHs, könnten wie bei uns an den Verbindungen dafür aufgewandt werden, unsere jüngeren Generationen dabei zu unterstützen, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Wir stellen uns beispielsweise sogenannte „Talentechecks“ für Schüler vor. Damit soll man bereits im Pflichtschulalter (und auch begleitend darüber hinaus) in Sachen Entdecken der eigenen Fähigkeiten unterstützt werden und Hilfe bei der weiteren Schul-, Berufs- und Studienwahl erhalten. Diese Maßnahme soll auch die Vorteile von Lehre bzw. Lehre mit Matura unterstreichen – in Zeiten des Fachkräftemangels in Industrie und Handwerk ein absolut notwendiger Impuls.
Abschließend muss noch betont werden, dass ein hochschulübergreifendes Konzept für Digitalisierungsmaßnahmen für Universitäten, FHs und PHs wichtig wäre. Es bedarf auch im 21. Jahrhundert des physischen Orts der Hochschule, um akademische Kompetenzen zu erlernen – Stichwort „Blended Learning“, also die Mischung zwischen Online-Kursen und der Schüler-Lehrerbeziehung im Hörsaal. Nichtsdestotrotz können gerade im Bereich von Administration und Organisation standortübergreifende Plattformen, etwa zur Lehrveranstaltungsanmeldung, geschaffen werden, um Synergien zu nutzen und das Leben von Studenten zu vereinfachen.
Der ÖCV sollte sich weiterhin stets für sein wichtigstes Thema einsetzen. Durch zahlreiche Gespräche bei politischen Stakeholdern sowie Engagement in der ÖH und direkt an den Universitäten. Dieses Feld dürfen wir nicht anderen überlassen.
Kbr. Michael Jayasekara (Baj) ist Vorortspräsident des Österreichischen Cartellverbandes im Studienjahr 2017/2018.