Wir leben in einer Zeit, in der eine der schönsten Schöpfungen Gottes, nämlich Ehe und Familie, einem Generalangriff seitens einer neuen atheistischen, neo-kommunistischen Ideologie-Diktatur ausgesetzt ist, welche mittlerweile beinahe weltweit politische und mediale Macht gewonnen hat. Rätselhaft und schmerzlich ist dabei vor allem die Tatsache, dass wir heutzutage Kollaborateure mit diesem Generalangriff auf Ehe und Familie sogar in den Reihen des Klerus entdecken. Die christliche Familie muss sich heute einer Art neuem Goliath stellen.

Die Familie und die gesamte menschliche Gesellschaft können nur dann gedeihen, wenn die göttliche Wahrheit über die Ehe und Familie beachtet wird, wie es Papst Leo XIII. lehrte: „Von Anfang an lag es im Plan der göttlichen Weltordnung, dass das, was im Gesetz Gottes und der Natur begründet ist, uns desto mehr Nutzen und Heil bringt, je mehr es unverletzt und unverändert in seinem ursprünglichen Sinn bewahrt wird. (…) Wenn aber Unbesonnenheit oder Bosheit der Menschen diese in höchster Weisheit bestimmte Ordnung der Dinge ändern und verkehren will, dann erweisen sich auch die als nützlichst ausgedachten Einrichtungen als schädlich oder als nutzlos, sei es, dass sie durch die Veränderung ihren wohltätigen Einfluss verloren haben oder dass Gott selbst in dieser Weise den Hochmut und die Verwegenheit der Sterblichen straft. Jene aber, die die Heiligkeit der Ehe leugnen, sie ihrer höheren Würde vollständig entkleiden und dem Gebiete der rein profanen Gegenstände zuweisen, untergraben die Fundamente der Natur, sie widerstreben den Ratschlüssen der göttlichen Vorsehung und richten deren Institutionen mit Gewalt zugrunde” (Enzyklika Arcanum Divinae, 25).

Wegen ihrer Treue zu den Geboten Gottes werden in unseren Tagen Familien, Jugendliche, Priester und Bischöfe im Namen der neo-marxistischen Gender-Weltideologie oft verspottet und verfolgt. Es gibt aber auch Familien, Jugendliche, Priester und Bischöfe, die sogar im kirchlichen Umfeld wegen ihrer Treue zur Vollständigkeit des katholischen Glaubens und der Liturgie, wie sie uns von unseren Vorvätern überliefert wurde, ausgegrenzt, verspottet und verfolgt werden.
Um ihrer Berufung treu zu bleiben, soll die katholische Familie insbesondere das tägliche gemeinsame Gebet pflegen. Papst Pius XII. sprach dazu zu den Neuvermählten: „Wir bitten euch, nehmt es euch zu Herzen, diese schöne Tradition der christlichen Familien zu bewahren, nämlich das gemeinsame Abendgebet. Die Familie versammelt sich am Ende jeden Tages, um den göttlichen Segen zu erflehen und die unbefleckte Jungfrau Maria im Lobgebet des Rosenkranzes zu ehren zum Schutze aller, die unter demselben Dach schlafen. Die harten und unerbittlichen Forderungen des modernen Lebens geben euch keine Zeit, einige Augenblicke Gott zu danken, noch gemäß einem alten Brauch, eine kurze Biographie des Heiligen zu lesen, den uns die Kirche jeden Tag als Vorbild und als besonderen Beschützer vorstellt. Bemüht euch selbst diesen kurzen Augenblick Gott zu weihen, um Ihn zu loben und Ihm eure Wünsche, Nöte, Leiden und Eure Beschäftigungen darzubringen. Der Mittelpunkt eures Heimes soll das Kruzifix oder das Bild des Heiligsten Herzens Jesu sein: Möge Christus über euer Heim herrschen und jeden Tag euch um sich versammeln“ (Ansprache an die Neuvermählten, 12. Februar 1941).

In den folgenden Zeilen möchte ich die Familie als Hauskirche in meiner persönlichen Lebenserfahrung darstellen. Meine Mutter Maria Schneider (geb. Trautmann) war diejenige, die mir nicht nur das natürliche Leben schenkte, sondern jene, die mir im Jahre 1961 in Tokmak, in der damaligen Sowjetrepublik Kirgisien, das Sakrament der Taufe spendete, durch das ich das übernatürliche Leben der Gnade erhielt.

Da in jener Zeit die meisten Priester im Gefängnis waren und die Gläubigen in Kirgistan nicht wussten, wann ein Priester, natürlich heimlich, vorbeikommen würde, wollten die gläubigen Mütter ihre Kinder nicht allzu lange ohne Taufe im Ungewissen lassen. Eine Woche nach meiner Geburt nahm meine Mutter daher im Beisein meines Vaters meine Taufe vor. Sie nahm das Gebetbuch, in dem der Taufritus beschrieben war, goss Wasser über mein Haupt und sprach die trinitarische sakramentale Formel aus, wie im Gebetbuch beschrieben. Nach der Taufe fragte sie meinen Vater, ob sie alles richtig gemacht hätte. Mein Vater antwortete ihr, dass er das nicht wisse. Darauf wiederholte meine Mutter noch einmal den ganzen Taufritus, um sicher zu sein, dass ich gültig getauft sei. Ein Jahr später kam ein litauischer Jesuit namens Pater Antonius Siskevicius vorbei. Er sagte, man solle ihm alle Kinder bringen, die noch nicht oder nicht von einem Priester getauft sind. Er hatte grundsätzlich Zweifel an den Taufen, die nicht von einem Priester gespendet wurden. Darauf brachte mich meine Mutter zu Pater Antonius und er taufte mich noch einmal. Im Jahre 1962 suchte der selige Märtyrerpriester Alexij Saritski unser Haus in Tokmak auf. Aus Dankbarkeit meiner Mutter gegenüber, die ihn 1958 im Ural vor der Verfolgung der Polizei gerettet hatte, feierte er in unserem Haus die hl. Messe.

Die Rettung des seligen Märtyrerpriesters Alexij Saritski ging folgendermaßen vor sich, wie mir meine Mutter erzählte: Nach dem Zweiten Weltkrieg deportierte das stalinistische Regime viele Deutsche aus der Schwarzmeergegend und aus dem Wolgagebiet zur Zwangsarbeit in das Uralgebirge. Alle Deutschen wurden in armseligen Hütten in einem Ghetto der Stadt interniert. Darunter waren mehrere tausend deutsche Katholiken. Oft begaben sich unter größter Geheimhaltung einige katholische Priester zu ihnen, um ihnen die Sakramente zu spenden. Sie taten dies und setzten dabei ihr Leben aufs Spiel. Unter diesen Priestern, die öfter kamen, war Pater Alexij Saritsky, ukrainischer griechisch-katholischer Priester, der auch im lateinischen Ritus zelebrierte. Er starb als Märtyrer am 30.10.1963 im sog. „Karlag“ in der Nähe von Karaganda und wurde von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2001 seliggesprochen. Die Gläubigen nannten ihn liebevoll den „Vagabunden Gottes”. Es war 1958: Pater Alexij kam plötzlich heimlich aus seinem Exil in Karaganda/Kasachstan in die Stadt Krasnokamsk bei Perm im Ural. Er bemühte sich, so viele Gläubige wie möglich auf den Empfang der heiligen Kommunion vorzubereiten. Deshalb hörte er buchstäblich Tag und Nacht Beichten, ohne zu schlafen und zu essen. Die Gläubigen ermahnten ihn: „Herr Pater, sie müssen essen und schlafen!“ Er aber antwortete: „Ich kann nicht, weil mich die Polizei von einem Augenblick zum anderen festnehmen kann und dann blieben viele Personen ohne Beichte und folglich ohne Kommunion.“ Als alle gebeichtet hatten, begann Pater Alexij die heilige Messe zu lesen. Plötzlich ertönte eine Stimme: „Die Polizei ist in der Nähe!“ Maria Schneider wohnte der heiligen Messe bei und sagte zum Priester: „Pater, ich kann Sie verstecken, fliehen wir!” Die Frau führte den Priester in ein Haus außerhalb des deutschen Ghettos und versteckte ihn in einem Zimmer, wohin sie auch etwas zu essen brachte. Dabei sagte sie: „Pater, jetzt können Sie endlich essen und ein wenig ausruhen und wenn die Nacht beginnt, fliehen wir in die nächste Stadt.” Pater Alexij war traurig, weil zwar alle gebeichtet hatten, aber die heilige Kommunion nicht hatten empfangen können, da die kaum begonnene heilige Messe durch das plötzliche Auftauchen der Polizei unterbrochen worden war.

Als der Abend kam, begann man die Flucht vorzubereiten. Maria Schneider ließ ihre beiden kleinen Kinder (einen kleinen Jungen von zwei Jahren und ein Mädchen von sechs Monaten) bei ihrer Mutter und rief Pulcheria Koch (meine Großtante, Schwester meines Großvaters Sebastian Schneider). Die zwei Frauen und flohen dann mit Pater Alexij zwölf Kilometer durch den Wald, im Schnee und bei einer Kälte von minus 30 Grad. Sie kamen zu einem kleinen Bahnhof, kauften die Fahrkarte für Pater Alexij und setzten sich in den Wartesaal, weil sie noch eine Stunde auf die Ankunft des Zuges warten mussten. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein Polizist trat ein. Er ging direkt auf Pater Alexij zu und fragte ihn: „Und Sie, wohin fahren Sie?” Der Pater war vor Schreck nicht fähig zu antworten. Er fürchtete nicht um sein eigenes Leben, sondern um das Leben und das Schicksal der jungen Mutter Maria Schneider. Die junge Frau jedoch antwortete dem Polizisten: „Dies ist unser Freund und wir begleiten ihn. Hier ist seine Fahrkarte”, und sie zeigte dem Polizisten die Fahrkarte. Als dieser die Fahrkarte sah, sagte er zum Priester: „Steigen Sie bitte nicht in den letzten Wagen, denn dieser wird an der nächsten Station vom übrigen Zug abgehängt. Gute Reise!“. Sogleich verließ der Polizist den Wartesaal. Pater Alexij schaute Maria Schneider an und sagte zu ihr: „Gott hat uns einen Engel geschickt! Ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben. Wenn Gott es mir erlaubt, werde ich zurückkehren, um euch die heilige Kommunion zu reichen und in jeder meiner Messen werde ich für Sie und Ihre Kinder beten.“ (siehe mein Buch „Dominus est“).

Meine Mutter wurde dann auch die eigentliche Religionslehrerin meiner drei Geschwister und meiner Person. Wir hatten zuhause regelmäßig Unterricht zum Katechismus und zu biblischer Geschichte. Das Morgen- und Abendgebet verrichteten wir alle zusammen. Als wir noch im Kirgistan lebten und keine Priester hatten, gestalteten meine Eltern an den Sonntagen vormittags eine Gebetsstunde mit der ganzen Familie. Wir haben uns geistiger Weise mit den Hl. Messen verbunden, die in den katholischen Kirchen gefeiert wurden und vollzogen den Akt der geistigen Kommunion. Diese sonntäglichen Gebetsstunden mit Vater, Mutter und den Geschwistern sind eine der schönsten und lebendigsten Erinnerungen aus meiner Kindheit. Mir bleibt nichts anders übrig als zu sagen: „Quanta gratia [Was für eine große Gnade, Anm.]!“

1973 durften wir dann auf wunderbare Weise aus der Sowjetunion nach Westdeutschland ausreisen. Wir kamen nun in die Freiheit, in den Westen. Wir dachten zunächst, dass wir von nun an keine Hindernisse mehr haben würden, den katholischen Glauben zu praktizieren. Nach einiger Zeit mussten wir aber feststellen, dass es wieder Hindernisse gab, diesmal nicht von außerhalb der Kirche, sondern unbegreiflicherweise von innerhalb. Meine Eltern mussten die bittere Erfahrung machen, dass man sie manchmal als rückständig bezeichnete, dass man ihre überlieferte Frömmigkeit bespöttelte. Meinen Geschwistern passierte es einmal, dass man ihnen die hl. Kommunion verweigerte nur, weil sie sie kniend empfangen wollten, wie sie das von jeher gewohnt waren. Wir mussten manchmal Gottesdienste erleben, die eher eine Show oder ein Diskokonzert waren. Ich erinnere mich oft, wie meine Eltern und meine Geschwister nach solchen Messbesuchen litten und meine Mutter weinte. Als meine Mutter einmal deswegen in großer innerer Not war, rief sie mich an, ich war damals schon Priester, und sagte mir: „Weißt Du, ich würde lieber wieder unter der kommunistischen Verfolgung leben wollen und dort meinen Glauben leben, als hier unter diesen Zuständen im freien Westen“.

Wir machten also die Erfahrung, dass die Prüfung des Glaubens und der Weg des Leidens nicht aufhörten, als wir in die Freiheit kamen. Und doch hat der Herr meinen Eltern so viel Glaubensgeist gegeben, dass sie nicht resignierten, sondern diese neuen Leiden aus Liebe zur Kirche annahmen und es für die Heiligung der Priester aufopferten und allen Priestern mit Ehrfurcht begegneten, selbst jenen, die sie durch ihr ehrfurchtsloses Verhalten verletzten. Sie sahen nämlich im Priester den Gesalbten des Herrn.

Das Geschenk des katholischen Glaubens ist tatsächlich das größte Geschenk, das Gott einem Menschen auf dieser Erde geben kann. Die Weitergabe des katholischen Glaubens in seiner Vollständigkeit und Schönheit verlangt große Treue und manchmal auch ein großes Leiden. Und das ist wiederum ein Geschenk Gottes.

Diese Weitergabe geschieht nach dem weisesten Plan Gottes am besten und wirkungsvollsten durch beide Eltern in der Familie, und das von Generation zu Generation. Wie glücklich sind doch jene Menschen, welche über einige Generationen den katholischen Glauben rein und vollständig in der eigenen Familie empfangen konnten.

Wahrlich, das ist eine sehr große Gnade: „Quanta gratia!“ Hier finden wir das Geheimnis der Hauskirche, der „ecclesia domestica“, das eigentliche Apostolat der Laien, in erster Linie das Apostolat und allgemeine Priestertum der katholischen Frau und Mutter. Sie gibt sozusagen mit der Muttermilch den Glauben weiter. Sie wird die erste Religionslehrerin, die erste Vorbeterin in der Hauskirche der Familie. Hier feiert sie eigentlich ihr allgemeines Priestertum, vor allem in den Stunden des mütterlichen Leidens und Schmerzes, die sie um des Glaubens und um des Seelenheiles ihrer Kinder willen erträgt und sich dabei mit dem Opfer des Hohepriesters Jesus vereinigt. Gibt es eine gottwohlgefälligere Ausübung des Apostolats und des allgemeinen Priestertums als das Apostolat der Hauskirche, der Weitergabe des katholischen Glaubens in der Familie, der Erfüllung der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit?

Die zweitausendjährige Erfahrung der katholischen Familien, der katholischen Mütter, Väter, Großmütter und Großväter hat diese Wahrheit in unzähligen Lebensbeispielen in allen katholischen Völkern bestätigt. Wie sehr braucht die Kirche, braucht die Menschheit heute wieder solche glaubensstarken katholischen Mütter, Väter, Großmütter und Großväter! Erst die Erneuerung der katholischen Hauskirche im Sinne der beständigen fruchtbaren Erfahrung der Kirche bringt die wahre Erneuerung der Kirche, welche in neuerer Zeit vor allem Papst Pius X. mit seinem Leitwort „Alles in Christus zu erneuern“ (Instaurare omnia in Christo) aufgezeigt hat.

Aus den Herzen aller Gläubigen, in erster Linie der Bischöfe, sollte dieser Gebetsruf aufsteigen: „Herr, gibt uns viele glaubensstarke und viele heilige katholische Mütter, Väter, Großmütter und Großväter und mögen sie uns dann viele gute und heilige Kinder schenken. Und schenke uns, o Herr, aus ihnen dann viele, gute und heilige Hirten der Kirche, damit Christus immer mehr unter den Menschen herrsche und lebe!“

Was für eine schöne Berufung ist es, ein wahrer Katholik zu sein! Was für eine schöne Berufung ist es, für die Unversehrtheit des Glaubens und der göttlichen Gebote zu kämpfen! Was für eine schöne Berufung ist es, eine katholische Familie, eine Hauskirche zu sein! Was für eine schöne Berufung ist es, ein keuscher junger Mann, ein keusches Mädchen zu sein! Was für eine schöne Berufung ist es, ein Seminarist und ein Priester mit einem reinen und brennenden Herzen zu sein!
Wir dürfen keine Angst haben vor dem Goliath unserer Tage, der da ist die neue antichristliche Gender-Diktatur. Die Gabe des Starkmutes des Heiligen Geistes wird uns befähigen, den Goliath unserer Tage mit den fünf Steinen der Schleuder Davids zu besiegen.

Möge der Heilige Geist erneut viele Hauskirchen erblühen lassen, welche uns mit den fünf Steinen Davids ausstatten werden, um Goliath zu besiegen; und diese Steine sind: gute Familienväter und gute Familienmütter, reine Kinder, reine Jugend, reine Priester und unerschrockene Bischöfe. Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat!

Dr. Athanasius Schneider ist Weihbischof der Erzdiözese der Heiligen Maria in Astana.